La Rochelle -
Stadtrundgang mit Evelyn
Es
gibt wenige Orte, die das Gefühl vermitteln, nach Hause zu kommen.
La Rochelle am Atlantik, fast 200 km nördlich von Bordeaux gelegen,
ist solch ein Ort. Der belgische Schriftsteller Georges Simenon, der
über diese Stadt die meisten Romane verfaßt hat, spricht sogar von
einer innigen Liebe: „La Rochelle ist die Stadt, die ich am
tiefsten in mein Herz geschlossen habe."
Wir
nähern uns der Stadt am Meer auf dem Landweg und starten kurz nach
unserer Ankunft zu einer Begrüßungsrunde. Zunächst schlendern wir
durch den schattigen Parc Charruyer. In kleinen Grüppchen genießen
junge Leute den frühen Sommerabend auf den Liegewiesen, die auch
noch Platz für eifrige Fußball-Künstler bieten. Das Jungvolk liebt
den Park, kein Wunder, zahlreiche angesehene Schulen sind in
unmittelbarer Nachbarschaft. Geht man weiter in südlicher Richtung
schließt sich ein Tiergarten an mit Gehegen für Rehe, Pfauen,
Ziegen... Kleine Kinder sind entzückt und streicheln durch die
Gitter die zutraulichen Tiere. Geschwungene Wege, die Vegetation zum
Teil noch mediterran, verspielte Brücken - im nu erreichen wir die
elegante Uferstraße. Das Meer zeigt sich und entblößt sehr viel
Strand. Die Gezeiten sind extrem am Atlantik, und der starke
Meeresgeruch geht sofort in die Nase.
Das
Auge erfaßt sofort die imposante Hafeneinfahrt mit den beiden
mittelalterlichen Türmen. Von See kommend ist links der Kettenturm,
der eine Hebevorrichtung besitzt, mit der in früheren Zeiten das
Hafenbecken mittels einer Kette verschlossen wurde. Mit dem St.
Nikolas-Turm auf der gegenüberliegenden Seite ist das eindrucksvolle
Ensemble zur Sicherung des Hafens komplett.
Umrundet
man den alten Hafen, lockt ein buntes Viertel am Quai du Gabut mit
Restaurants und kleinen Läden. Das bunt ist hier wörtlich zu
nehmen: die holzverkleideten farbigen 2-stöckigen Häuser haben eine
charmante moderne Ausstrahlung und erinnern irgendwie an das Flair in
New Yorks beliebter Ecke South Street Seaport. Ein Restaurant neben
dem anderen, dazu Terrassen unter schattenspendenden Platanen –
alle gut besucht. Nach einer Erfrischung mit Blick auf den Hafen und
die Altstadtkulisse vis a vis machen wir uns auf den Rückweg.
Durch
das opulente Stadttor mit der großen Turmuhr aus dem 14. Jahrhundert
betreten wir den Altstadtbereich. Wie aus einem Guß sind alle Häuser
und Bauwerke aus hellem Tuffstein gearbeitet, viele Straßenzüge
haben wuchtige Arkadengänge. Moderne Boutiquen, Bäckereien,
Buchläden sind dort angesiedelt und machen die Altstadt lebendig.
Kein Neubau stört das alte Stadtbild. „Vielleicht kommen gleich
die Musketiere um die Ecke geritten...“ Ja, das könnte gut sein,
diese Stadt regt die Fantasie an. Eine filmreife Stadt, die
alljährlich Filmfestspiele veranstaltet. Plakate machen auf das 40.
Internationale Filmfestival Anfang Juli aufmerksam. Diesmal eine
Hommage an Charly Chaplin u.a. wie John Cassavetes oder den Meister
der Zeichenfeder Tomi Ungerer - ein ausgefallenes Programm.
Im
Vorübergehen sehen wir den verkleideten Justizpalast. Nach und nach
wird die Altstadt verschönert, die Gebäude gereinigt und renoviert.
Der großräumige Place du Verdun ist in Sichtweite und das Cafe de
la Peix. Es befindet sich direkt neben dem Olympia-Lichtspieltheater
und hat alle glamourösen Attribute eines Gran Cafes aus dem 19.
Jahrhundert. Wir machen noch eine kleine Pause in dem schönen
Ambiente und studieren das Film-Angebot des Festivals, bevor wir nach
ca. 2 Stunden unseren Rundgang beenden.
Den
Place du Marché mit der dekorativen Markthalle und Fachwerkhäusern
aus dem 15. Jahrhundert werden wir morgen besuchen. Aber das ist eine
eigene Geschichte, angefüllt mit verlockenden Düften, frischen
Angeboten und Geschmackserlebnissen....
Die
Stadt, die in Frankreich auch „die rebellische“ genannt wird, hat
ihre eigenwillige Geschichte. Schon gegen 1100 als „freie Stadt“
anerkannt, entwickelte sie sich später zur Hochburg des
Protestantismus. Eine neue Wendung erlebte die Stadt, die nun auch
Hansestadt war, mit dem Seehandel mit der Neuen Welt. Das brachte
auch viele Auswanderer auf den Plan. 2008 wurde eine Dauerausstellung
eröffnet zur Gründung der Stadt Quebec und zu Ehren der Emigranten:
„ La Rochelle – Quebeck, an Bord in Richtung Neufrankreich.“
Dem
La Rochelle von heute mangelt es nicht an kulturellem Austausch. Die
Angebote und Impulse sind vielfältig. Die stolze Hafenstadt atmet
den Hauch von Freiheit und Abenteuer - eine Anziehungskraft und ein
Zauber, dem man gern erliegt.
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Leuchtturm am alten Hafen, Aquarell Evrelyn Tholl |
Plakat zum Internationelen Film-Festival |
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